Das Wichtigste zur Bürger-ID in Kürze
Der genaue Termin für die Umsetzung des sogenannten Registermodernisierungsgesetzes ist derzeit noch nicht gesetzt. Bundestag und Bundesrat haben es jedoch bereits verabschiedet. Aufgrund verfassungs- und datenschutzrechtlicher Kritik ist dennoch mit erheblichem Gegenwind und Verfassungsklagen zu rechnen. Woran sich Kritiker und Opposition u. a. stoßen, lesen Sie hier.
Hintergrund der Umwandlung der lebenslang gültigen Steuer-ID in die Bürgernummer: Die Abläufe in den Verwaltungen sollen vereinfacht, beschleunigt und die Abläufe verstärkt digital umgesetzt werden können. Das soll am Ende nicht nur die Behörden, sondern auch die Bürger entlasten und den Bürokratieabbau fördern. Vorausgesetzt werden soll jedoch die Einwilligung des Betroffenen in die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten sowie den Datenaustausch.
Seit 2007 wird allen Bürgern – vom Kleinkind bis zum Rentner – eine Steuer-ID zugewiesen. Diese soll Zeit ihres Lebens bestehen bleiben. Gemäß dem Grundsatz der Zweckbindung kommt sie bislang nur bei steuerlichen Vorgängen zur Anwendung. Die Ausweitung der Steuer- zur Bürger-ID steht auch deshalb in der Kritik, weil eben diese Zweckbindung aufgeweicht würde.
Was genau sieht das Registermodernisierungsgesetz vor?
Inhaltsverzeichnis
Seit dem Jahre 2007 erhält jede in Deutschland gemeldete Person eine Steuer-Identifikationsnummer, die ein Leben lang bestehen bleibt und in der Auseinandersetzung mit den Finanzbehörden zur Anwendung kommt. Selbst Babys erhalten ihre Kennziffer bereits wenige Monate nach ihrer Geburt. Schon die Einführung der Steuer-ID war derzeit von zahlreichen rechtlichen Bedenken begleitet worden. Einwände gegen deren Einführung entfielen jedoch schließlich durch die strenge Beschränkung der Nutzung.
Interessant: Diese Daten speichert das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu jeder natürlichen Person
- Steuer-Identifikationsnummer
- Familienname
- ggf. frühere(r) Name(n)
- Vorname(n)
- ggf. Doktorgrad
- Geburtsort und -tag
- Geschlecht
- aktuelle oder letzte bekannte Adresse
- zuständiges Finanzamt
- ggf. Auskunftssperren nach dem Bundesmeldegesetz
- ggf. Sterbetag
- Einzugs- und Auszugsdaten
Ebendiese Zweckbindung aber könnte nun durch die Einführung der Bürger-Identifikationsnummer gänzlich aufgeweicht werden. Hintergrund des mittlerweile auch vom Bundesrat abgesegneten Registermodernisierungsgesetz ist nämlich, die Steuer-ID zu einer umfassenden Bürgernummer auszubauen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sie nun fortan in zahlreichen Verwaltungsbereichen zur Anwendung kommen, um Abläufe im Rahmen der Digitalisierungsstrategien zu vereinfachen. Die Absicht dahinter ist im Grunde, dass dies auch den Bürgern selbst zugute kommt. Denn viele Nachweise müssten so künftig nicht an unterschiedlichsten Stellen immer wieder neu erbracht werden.
Bis 2023 sollen insgesamt etwa 5.000 Dienstleistungen für Bürger auch ausschließlich auf digitalem Wege möglich sein (vgl. Onlinezugangsgesetz). Die Einführung der Bürger-Identifikationsnummer soll den Bürgern eine zusätzliche Vereinfachung bringen – aber auch den Behörden – und den Bürokratieabbau weiter fördern. Zirka 50 Behörden und Datenbanken sollen so zukünftig auf die Bürger-ID zugreifen können. Hierzu zählen etwa:
- Einwohnermeldeamt
- Führerscheinstelle
- Fahrzeugregister
- Ausländerbehörde
- Waffenregister
- Rentenversicherung
- Krankenversicherung
Anhand der Bürgernummer können die Behörden dann den Datenaustausch mit anderen Stellen beantragen und die behördlichen so beschleunigen und vereinfachen. Die neugeschaffene Registermodernisierungsbehörde soll dabei als Datenvermittler fungieren. Es wird also kein neues umfassendes Melderegister erstellt, sondern eine Schnittstelle eingeführt. Deren Ziel ist es, entsprechende Anfragen zu bearbeiten und die Kommunikation zwischen den einzelnen Behörden und Datenbanken zu gewährleisten.
Wichtig: Der Austausch der Daten zwischen den einzelnen Behörden soll grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn der Betroffene hierin einwilligt. Basis soll also der Datenschutzgrundsatz der Freiwilligkeit sein. Über ein „Datencockpit“ müssen die Bürger zudem die Möglichkeit haben, Einsicht in die gespeicherten und abgefragten Daten zu erhalten.
Massive Kritik an der Bürger-Identifikationsnummer reißt nicht ab
Auch wenn einzelne Datenbanken und Behörden wie etwa Schuldnerverzeichnis oder Insolvenzregister im Zuge der Verabschiedung des neuen Gesetzes aus der Liste der berechtigten Stellen herausgenommen wurden, sehen viele Datenschutz- und Verfassungsrechtler massive Probleme bei der Bürger-Identitifikationsnummer. Im Folgenden ein paar wesentliche Kritikpunkte:
- Die ursprüngliche Zweckbindung der Steuer-ID wird durch die Überführung in eine Bürgernummer ausgehebelt. Die Zweckbindung aber ist ein wesentlicher Datenschutzgrundsatz, eine zweckentfremdete Nutzung eigentlich durch die DSGVO untersagt. Dies soll durch die Knüpfung an die Einwilligung des Betroffenen umgangen werden. Deren Bereitschaft zur unbedachten Einwilligung dürfte schon allein durch das Versprechen vereinfachter und beschleunigter Vorgänge erhöht sein.
- Durch die erweiterte Nutzung der Bürger-ID steigt die Gefahr, künftig umfassende Persönlichkeitsprofile von einzelnen Bürger erstellen zu können. Davor warnte bereits 2011 der damalige Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar. Auch das Missbrauchspotential erscheint enorm. Eine einfache Datenschutzpanne bei der Abfrage könnte für den einzelnen Bürger bereits massive Nachteile bringen. Immerhin ist auch der Faktor „Mensch“ in den Behörden nicht zu vergessen, wie etwa ließen sich unberechtigte Anfragen und Zugriffe durch Mitarbeiter verhindern?
- Auch Begehrlichkeiten innerhalb der Wirtschaft könnten ggf. geweckt werden. Unternehmen könnten in einer Welt, in der Daten bares Geld wert sind und der Datenhandel floriert, dazu verleitet werden, selbst einen Nutzen aus der Bürger-ID zu ziehen. Künftig ist es denkbar, dass so vielleicht der eine oder andere in Formularen ein optionales Feld für die Angabe der Bürger-Identifikationsnummer einfügt. An je mehr Stellen sich die Angabe am Ende – wenn auch nur versehentlich oder unachtsam eingetragen – findet, desto leichter ließen sich etwa umfassende Personenprofile durch Austausch zwischen Unternehmen erstellen.
- Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig eindeutig gegen die Einführung umfassender Personenkennziffern positioniert. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam bei seiner Betrachtung zu dem Schluss, dass das BVerfG der Einführung der Steuer-ID damals lediglich nur deshalb nicht widersprochen hätte, weil deren Zweckbindung stark auf steuerliche Belange begrenzt wurde. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber verwies in einem entsprechenden Positionspapier bereits im August 2020 etwa auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts:
“Der Eingriff in den Wesenskern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist dabei so groß, dass das BVerfG die Einführung eines derartigen Personenkennzeichens ausdrücklich als Negativbeispiel für eine verfassungswidrige Rechtslage im Volkszählungsurteil erwähnt hat. Eine tatsächliche Vollkatalogisierung ist nicht notwendig, um einen derartigen subjektiven Eindruck entstehen lassen zu können.”
Fazit zur Einführung der Bürgernummer
Die Diskussion um die Bürger-Identifikationsnummer dürfte auch trotz der Verabschiedung des Registermodernisierungsgesetzes nicht abreißen. Denn berührt sind hier nicht nur datenschutzrechtliche Bedenken, sondern auch die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Vorgehens wird von zahlreichen Seiten grundlegend bezweifelt. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht sind zu erwarten. Da dieses der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen in den vergangenen Jahren immer mehr Bedeutung zugemessen hat, ist es durchaus denkbar, dass es die Einführung der Bürgernummer am Ende doch noch kippt.
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Bitte seht Euch mal die Geschäftspartner in dem Buchhaltungssystem eurer Kommune an. Dann sucht mal einen konkreten Geschäftspartner z.B. einen Bürger mit einem adligen Nachnahmen. Ihr werdet auf Dubletten ohne Ende stoßen. Diese Dubletten werden teilweise automatisch neu angelegt. Dies geschieht zum Beispiel durch Daten Übertragung aus dem System „OWI“ (für Ordnungswidrigkeiten). Die zuständigen Mitarbeiter von der Stammdatenpflege haben resigniert und bereinigen diese ärgerlichen Dubletten nur sporadisch. Dies passiert, weil es keine Möglichkeit gibt Personen anhand einer Personennummer eindeutig zu identifizieren. Wenn wir aber Datenbestände sinnvoll verknüpfen wollen, brauchen wir in jeder der zu verknüpfenden Datenbanken einen oder mehrere eindeutigen Schlüssel die in allen zu verknüpfenden Datenbanken gleich sind. Konkret: Wenn OWI einen Halter eines Fahrzeuges ermittelt (Info kommt aus Flensburg) brauch OWI ein über alle Datenbestände übergreifendes Personenkennzeichen. Nur mit diesem Personenkennzeichen können die Daten (Knöllchen) aus OWI dem richtigen Geschäftspartner eindeutig zugeordnet werden. Dies ist seit den 70er in Skandinavien Standard. Deshalb können die Verwaltungen in Skandinavien ihren Bürgen viele Digitale Dienstleistungen anbieten. Ohne ein übergreifendes Personenkennzeichen über alle Behörden und Institutionen komme bei allen Digitalisierungsprojekten nur halbgare Losungen raus. Wer gegen die Bürger-ID ist hat Digitalisierung und moderne Verwaltung nicht verstanden. Ob das gegen die Verfassung ist kann ich nicht beurteilen. In den meisten Demokratischen Staaten gibt es die Bürgernummer in der einen oder andern Form. Wenn die Bürger-ID gegen die Verfassung verstößt dann müssen wir die Verfassung eben ändern. Was ist den schon dabei?
Solange ich selber über dem Datenfluss zwischen den Behörden entscheiden kann, auf Grundlage meiner eigenen Abwägung zwischen Vorteile und Nachteile, und dass im Datencockpit diese Vorteile und Nachteile genau beschreiben sind für die verschiedene Datenflussfälle, finde ich das alles Grundsätzlich in Ordnung. Natürlich gibt es aber Hürden in der Umsetzung die Einzeln gelöst werden müssen aber trotzdem kritisch für den gesamt Erfolg sind. Eine davon ist wie das Cockpit aussehen soll. Meiner Meinung nach muss dieses Cockpit Multi-Zugänglich sein als analoge Lösung und digitale Lösung. Der größte Hürde allerdings ist Datenmissbrauch. Datenmissbrauch kann nicht verhindert werden, weder im heutigen System noch in zukünftigen Systemen. Allerdings kann der Datenmissbrauch reduziert und erschwert werden, und je mehr „Macht“ die Behörden haben umso stärker sollen die Sicherheitsmechanismen sein die einen Missbrauch reduzieren. Risiko = Konsequenz * Wahrscheinlichkeit. Der Risiko für einen Datenmissbrauch darf nicht steigen, aber genau das wird passieren, wenn der Konsequenz (Macht) steigt, aber die Wahrscheinlichkeit für einen Datenmissbrauch gleich bleibt wie heute. Eine weiter bedenken ist natürlich Angriffe von Externe. Hier muss auch die Infrastruktur, Ausfallsicherheit, Cybersicherheit und Redundanz gewährleistet werden. Ich hoffe wirklich, dass man Lösungen findet, die diese Bedenken gerecht werden, weil, obwohl es am Ende sehr teuer sein wird, sehe ich einen enormen Potenzial und viele Möglichkeiten für mich als Bürger da ich solche Systeme von anderen Ländern kenne wo alle Behördengänge online erledigt werden kann in Null Komma nix. Ich glaube auch, dass hier kein Weg vorbeiführt. Alle jugendlichen geben heute überall deren Daten frei, Arbeitskraft bei den Behörden fehlen und die Welt schreitet voran und erfinden neue Möglichkeiten die den Alltag erleichtert und davon will die Mehrheit teil haben. Wir müssen uns mit dem Thema und die Hürden auseinander setzen und Lösungen finden, und lieber heute als Morgen, weil ansonsten kommen wir nicht hinterher und die Hürden wachsen nur und erschweren die Umsetzung, und unsere Mitspracherecht und Einfluss auf die Zukunft reduziert sich mit der Zeit.
Ich finde überhaupt bedenklich, daß neue Gesetze entworfen und durchgesetzt werden, die nicht völlig und in jedem Punkt dem Grundgesetz folgen! So wird das Grundgesetz ausgehebelt und wertlos… ein rechtlich undefinierbarer Staat entsteht, der als Tummelplatz für jeden Rechtbruch gut ist. Unglaublich!!!
Bürger-ID = Steuernummer, darüber bin ich entsetzt.
Sollte man nicht für verschiedene Vorgänge verschiedene Paßwörter haben?
Jetzt soll eine Nummer das Tor zu vielen wichtigen persönlichen Infos sein.